US-Präsidentschaftswahl: Neuer Rückenwind für das Klima
Es ist 17:24 europäischer Zeit, als die Erlösung kommt. Nach einem tagelangen Auszählmarathon deklarieren die großen US-amerikanischen Medienhäuser Joe Biden zum designierten US-Präsidenten am 7. November.
Noch bevor der Wahlkrimi beendet war, traten die USA am 5. November offiziell aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aus. Trotzdem könnte die Wahl von Biden-Harris einen historischen Wendepunkt im Kampf gegen die Klimakrise darstellen.
Tipping Point für die Internationale Zusammenarbeit für das Klima
Der designierte US-Präsident hatte bereits im Wahlkampf versprochen, sein Land zurück in den Pariser Klimavertrag zu führen. Zusätzlich will er die Vereinigten Staaten auf einen Pfad in Richtung Klimaneutralität bis 2050 führen und einen Green New Deal für die USA einleiten.
Würden die Ankündigungen des designierten US Präsidenten sich bewahrheiten, könnte das 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaabkommens in greifbare Nähe rücken. Denn auch die chinesische Regierung annoncierte vor wenigen Wochen ein Null-Emissions-Ziel bis zur Mitte des Jahrhunderts an. Dann hätten sich erstmals die EU, die Vereinigten Staaten, China, Japan und die Republik Korea - also zwei Drittel der gesamten Weltwirtschaft und über 50% der globalen Treibhausgasemissionen - zu verbindlichen Zielen für Netto-Null-Treibhausgasemissionen verpflichtet.
Transatlantischer Green New Deal
Mit den Vereinigten Staaten hätte die Europäische Union darüber hinaus wieder einen starken globalen Partner an der Seite, um klimapolitische Standards zu setzen. Seit dem 1. Januar 2020 gelten in Europa strengere CO2-Flottengrenzwerte für die Automobilindustrie. Das neue Team im Weißen Haus plant strengere CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge, die den europäischen Standards sehr nahe kommen. Sie sind auf beiden Seiten des Atlantiks so niedrig, dass künftig nur Elektro- und Hybridfahrzeuge sie erfüllen können.
Gleiches gilt für den Bereich der Klimafinanzen und des Green New Deal. Biden hat im Wahlkampf von öffentlichen und privaten Investitionen in Höhe von 5 Billionen US-Dollar gesprochen, um die ökologische Transformation in den USA im nächsten Jahrzehnt zu unterstützen. Dies entspricht in etwa dem Plan der Europäischen Union, in den nächsten zehn Jahren rund 4 Billionen Euro zu mobilisieren.
Unter Biden-Harris könnten die Vereinigten Staaten sich der europäischen Klimapolitik stark annähern. Das wäre einerseits Beweis dafür, dass europäisches Leadership in der Klimapolitik seine Früchte trägt und stellt andererseits auch eine historische Gelegenheit für eine echte transatlantische Kooperation für den Klimaschutz dar.
Klimakrise als sicherheitspolitische Herausforderung
Klimapolitisch relevant wird aber auch die Außen- und Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten. Die Klimakrise und ihre zerstörerischen Konsequenzen sind eine der größten sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Das haben auch die US-Demokraten erkannt, die den Klimawandel in ihrem Wahlprogramm als erste der globalen Gefahren für die USA identifiziert haben.
So wichtig und richtig die Anerkennung der Gefahren durch die Klimakrise auch ist: Sie darf nicht nur als einer von vielen außen- und sicherheitspolitischen Faktoren betrachtet werden. Vielmehr muss jedes außenpolitische Handeln vor ihrem Hintergrund erfolgen. Die Klimakrise ist der maßgebliche Faktor, der die neuen internationalen Herausforderungen antreibt, Konflikte anheizt und Menschen entwurzelt.
Dieser Realität muss auch die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen EU und USA verstärkt Rechnung tragen, auch innerhalb der NATO. Luxemburg hat in diesem Bereich unter dem grünen Verteidigungsminister François Bausch schon einige erfolgsversprechenden Initiativen lanciert, die mit einer neuen Regierung in den Vereinigten Staaten weiter an Fahrt gewinnen dürften. Klimadiplomatie gemeinsam mit den USA würde glaubwürdiger werden und es wäre leichter, andere Staaten zu überzeugen.
Jahrzehnt des Klimaschutzes
Die Wissenschaft ist sehr deutlich: wenn wir das Versprechen des Pariser Klimaabkommen einlösen und die Klimawende vollziehen wollen, dann werden die nächsten zehn Jahre von herausragender Bedeutung sein. Wir starten in ein neues Jahrzehnt für den Klimaschutz.
Dass am Anfang dieses Jahrzehnts der Klimaskeptiker aus dem Weißen Haus abgewählt wurde macht Hoffnung. Damit aus der Hoffnung auch reale Fortschritte für das Klima werden, müssen wir Europäer*innen weiterhin Leadership übernehmen und von der neuen US-Regierung schnelles und entschlossenes Handeln einfordern.